Forschungsprojekt Medien

Ergebnisse

Studie 1: 2016/2017 a - Zum Einfluss interaktiver Medien auf Bewegungswissen und Bewegungsvorstellung

Die Veröffentlichung der Forschungsergebnisse ist für die Zeit von April 2017 bis Dezember 2017 vorgesehen. Nach diesem Zeitraum fragen Sie bitte per E-Mail an.


Die Masterarbeit ist beendet, gut ausgegangen und hat Ergebnisse erbracht. Falls Sie interessiert sind, können Sie meine Masterarbeit in einer leicht abgewandelten Version im PDF-Format lesen. Änderungen entnehmen Sie der ersten Seite des Dokuments:
Masterarbeit - Zum Einfluss interaktiver Medien auf Bewegungswissen und Bewegungsvorstellung

Hier finden Sie nun eine relativ kurze Zusammenfassung, über alles, was ich für erwähnenswert halte. Eine Rechtschreibprüfung steht auch noch aus - aber die Priorität dafür ist erst mal gering, die Artikelserie zum wissenschaftlichen Arbeiten und Lehreraccounts sind wichtiger und das Referendariat fordert große Zeitinvestitionen. Verzeihen Sie die Nachlässigkeit.

So sehr die Note der Arbeit (1,1) dem Wunsch entspricht, so wenig entsprechen die Ergebnisse den Erwartungen, mit denen die Masterarbeit begonnen wurde. Die aufgestellten Hypothesen wurden fast alle nicht bestätigt. Hypothese 11 von 11 konnte anhand der Ergebnisse nicht abgelehnt werden :)

Fragestellungen und Erwartungen
Die grundlegende Erwartung war, dass verschiedene Grade an Interaktivität unterschiedliche Lerneffekte bewirken. Der Effekt wurde bei zwei Aufgaben getrennt untersucht. Aufgabe Nr.1 erforderte 20 Multiple-Choice Fragen zur Bewegung des Hürdenschritt zu beantworten. Aufgabe Nr.2 erforderte 11 Bilder einer Bilderreihe zur Bewegung richtig zu sortieren.

Anhand der theoretischen Grundlage und vorheriger Untersuchungen, war von zwei möglichen Trends bei den Ergebnissen auszugehen.
A) Entweder sollte ein linearer Zusammenhang zwischen dem Grad der Interaktivität bestehen, also je höher die Interaktivität ist, desto besser sind die Lernergebnisse. Auch der negative lineare Zusammenhang schien denkbar: je höher die Interaktivität ist desto schlechter sind die Lernergebnisse.
B) Eine andere Vermutung war, dass die mittlere Interaktivitätsbedingung die besten Ergebnisse erzielen würde, da Interaktivität zwar generell kognitiv anregend sein sollte, zu viel Interaktivität die kognitiven Ressourcen jedoch verbrauchen würde. Genauer gesagt sollte zu viel Interaktivität die kognitiven Ressourcen durch Orientierungsprozesse verbrauchen, weshalb für die Abspeicherung von gesammelten Informationen, nicht mehr genug Ressourcen übrig sein sollten.

Das reale Ergebnis war, dass die mittlere Interaktivitätsbedingung (interaktives Video) in beiden Aufgaben am schlechtesten abgeschnitten hat. Das widerspricht beiden erwarteten Ergebnissen.

Die Testgruppen
Es gab 4 Gruppen; die Kontrollgruppe ohne Medienhilfe, die Niedriginteraktivität Gruppe mit einem Video, die Mittelinteraktivität Gruppe mit einem interaktiven Video und die Hochinteraktivität Gruppe mit einer interaktiven 3-D Simulation. Alle drei Testgruppen konnten eine Animation in allen Perspektiven und in verschiedenen Zeitdimensionen sehen. Im Video liefen die Perspektiven nacheinander ab, zuerst in Echtzeit, dann in 8-fach Zeitlupe. Im interaktiven Video konnten die Teilnehmer die Perspektive und den Zeitlupenfaktor per Schaltfläche auswählen. In der 3-D Simulation konnten die Teilnehmer frei um das Objekt rotieren und zoomen und die Animation schneller und langsam abspielen - alles per Menüschaltfläche.

Ergebnisse Aufgabe 1
Die Punktzahl der mittleren Gruppe (81 %) war bei der Aufgabe 1 (Fragenbeantwortung) signifikant schlechter als bei den anderen Testgruppen. Die Kontrollgruppe (78 %) war nur unwesentlich schlechter. Das zeugt auf den ersten Blick nicht von der Effektivität des Medienprodukts. Die Gruppe mit der hohen Interaktivität (99,82 %) und die Gruppe des Videos (100 %) zeigten signifikant bessere Ergebnisse, gegenüber der Kontrollgruppe und der Gruppe mit mittlerer Interaktivität.
Hinweis:
Die angegebenen Prozentwerte sind relativ zum besten Wert einer Testgruppe gesehen, nicht absolut gegenüber den maximal möglichen Punkten.

Ergebnisse Aufgabe 2
Bei der Sortieraufgabe der Bilder zeigte sich ein ähnliches Ergebnis, nur mit anderen Abständen. Die Kontrollgruppe (50 %) war hoch signifikant schlechter als die Gruppe des interaktiven Videos (69 %). Die 3-D Simulation Gruppe (90 %) war signifikant besser als die Gruppe des interaktiven Videos (69 %) und die Gruppe des nicht-interaktiven Videos erreichte das beste Ergebnis (100 %).
Hinweis:
Die angegebenen Prozentwerte sind relativ zum besten Wert einer Testgruppe gesehen, nicht absolut gegenüber den maximal möglichen Punkten.

Betrachtungszeit
Bei der Analyse der Zeit, die das Medienprodukt betrachtet wurde, zeigte sich, dass die Teilnehmer der Testgruppe mit mittlerer Interaktivität (51 %) signifikant schneller die Webseite verließen als bei der Testgruppe mit geringer Interaktivität (100 %). Die Testgruppe mit hoher Interaktivität liegt prozentual im Mittel beider Gruppen (77 %) aber ist statistisch nicht signifikant zu beiden Gruppen unterschiedlich.
Hinweis:
Die angegebenen Prozentwerte sind relativ zum größten Wert einer Testgruppe gesehen, nicht absolut gegenüber der maximal möglichen Zeitausnutzung (20 min).

Diskussion der Ergebnisse

Aspekt 1 - Motivation und Beschäftigungszeit mit den Inhalten
Zum einen könnte eine motivationelle Komponente die Ergebnisse beeinflussen. Leider wurde die Motivation nicht als nutzbare Daten erfasst. Kommentare von Teilnehmern zur Studie lassen jedoch Vermutungen zu. Die Testgruppe der mittleren Interaktivität hatte die schlechtesten Ergebnisse bei einer sehr geringen Betrachtungszeit. Nun könnte man davon ausgehen, dass der Aufbau des interaktiven Videos nicht motivierend wirkte, um genug Informationen aufzunehmen. Demgegenüber schauten die Videonutzer (geringe Interaktivität) das Video mindestens einmal vollständig an und sahen dementsprechend alle Perspektiven. Beim interaktiven Video schauten womöglich nicht alle Teilnehmer alle Perspektiven an. Damit fehlten ggf. zusätzliche Informationen oder sie wurden nicht durch Wiederholung verfestigt. Bei der 3-D Simulation war die Beschäftigungszeit relativ hoch; vermutlich, weil das Zoomen und Rotieren stärker motiviert.

Die niedrige Betrachtungszeit ist vermutlich speziell bei Anfängern ein Problem, da diese nicht beurteilen können, welche Informationen relevant sind. Außerdem war das Studiendesign so angelegt, dass die Teilnehmer die Fragen nicht kannten.

Aspekt 2 - Qualitative Merkmale von Medienprodukten
Der zweite Aspekt basiert auf einer tiefer gehenden Betrachtung der Untersuchungen von Annie Lang und der Limited Capacity Theory. Es scheint, dass Operationalisierungen von Interaktivität, , die nur die Quantität von Merkmalen und Optionen messen, nicht ausreichen, um Phänomene der Interaktivität zu untersuchen. In der von mir gewählten Operationalisierung von Interaktivität bin ich auf einer Linie mit den Operationalisierungen verschiedener Theoretiker und empirischen Studien geblieben. Annie Lang schreibt in ihren Studien, dass z.B. Schnitte in Fernsehserien die kognitive Last erhöhen. Sie ordnet einem strukturellen Merkmal von Medienprodukten eine kognitive Funktion zu. Bei Untersuchungen von Interaktivität sind Wissenschaftler jedoch nur auf die Anzahl von interaktiven Optionen eingegangen, nicht auf deren Wirkungen. Das liegt u.a. daran, dass Interaktivität als Phänomen nur von wenigen Studien überhaupt thematisiert wurde.

Wenn wir die Ergebnisse Langs auf diese Studie anwenden, dann schneidet das interaktive Medium mit den meisten Umschnitten pro Zeit am schlechtesten ab. Denn jeder Perspektivwechsel beim interaktiven Video - per Klick auf eine Schaltfläche - erfordert eine Neuorientierung, die kognitive Ressourcen benötigt. Bei der 3-D Simulation konnte mit fließender Rotation das Objekt immer im Blick behalten werden, wodurch die Neuorientierung und der Ressourcenverbrauch -so lässt sich hier spekulieren - geringer ist. Im Vergleich dazu sei gesagt, dass das einfache Video ebenfalls viele Umschnitte zeigt, da die verschiedenen Perspektiven nacheinander angezeigt werden. Die guten Ergebnisse weisen darauf hin, dass wohl nicht nur die strukturellen Merkmale allein für die Ergebnisse relevant sind, sondern auch die Beschäftigungszeit.

Ausblick

Datenbasis erweitern
Zuerst einmal benötigt diese Studie durch weitere Experimente Bestätigung. Nach meiner Recherche war meine Masterarbeit erst die dritte Studie (die mir bekannt ist) , die Interaktivität untersucht hat. Und alle Studien waren von den Ergebnissen her teilweise unterschiedlich. Auch die Anzahl an Probanden ist in allen Studien relativ gering. Meine Studie hatte 4 Gruppen a 10 Teilnehmern, die in die Wertung einbezogen wurden. Um Zufälligkeit auszuschließen, benötigt es eine größere Zahl an Teilnehmern.

Studiendesign ändern
Als nächster Schritt kann das Studiendesign verändert werden. Im Experiment wurden die Fragen getrennt vom Medienprodukt betrachtet, um erst einmal einen Effekt auf das kurzfristige Erinnern zu testen. Es wäre interessant zu sehen, inwiefern ein Medienprodukt mit seinen Merkmalen die Zeit der Aufgabenlösung und die Ergebnisse beeinflusst, wenn Aufgabe und Hilfsmittel parallel verfügbar sind. Zusätzlich dazu wäre ein Erinnerungstest sinnvoll, um zu prüfen, inwiefern die Merkmale des Mediums das langfristige Lernen beeinflussen.

Interaktivitätsbegriff überdenken
Ganz wichtig ist, dass die theoretischen Begriffe und Konzepte von Interaktivität genauer gefasst werden, wenn kognitive Effekte untersucht werden sollen. Der Interaktivitätsbegriff sollte in Bezug auf die Quantität von abgerufenen Informationen hin definiert werden, oder es sollte dafür ein neuer Begriff geschaffen werden. Eine Messung von vorliegenden Informationen anstatt nur der Zugangsmöglichkeit zu weiteren Informationen ist natürlich vom Aufwand extrem hoch, denn Wissenschaftler müssten bestimmen, ob in einem interaktiv aufgerufenen Inhalt nun mehr oder weniger Informationen stecken. Und vorher muss gelöst werden, wie wir Informationen wahrnehmen und speichern. Wie viele Informationen stecken in einer 360°-Rotation um ein Objekt, gegenüber der Ansicht von 4 festen Perspektiven auf jenes Objekt? Bzw. was nehmen wir davon durschnittlich auf? Damit das Problem klarer wird, will ich noch ein Beispiel auf elementarer Ebene nennen. Speichern wir Informationen elementar oder kombiniert im Gehirn? Ist "ein blauer Tisch" nun eine einzige Information oder drei? 1) Eins, 2) blaue Farbe, 3) Tischsein? Hier benötigt es den Rückgriff auf vorhandene und zukünftige neurowissenschaftliche Erkenntnisse, da Informationen teilweise als sog. Chunks, also Informationsblöcke, abgespeichert werden - nur welche?

So sehr ich den rein quantitativen Begriff der Interaktivität auch kritisiert habe, wir brauchen ihn noch als Übergangslösung. Am bisherigen Konzept der Interaktivität festzuhalten ist so lange sinnvoll, bis die Grundlage zur Entwicklung von verbesserten Konzepten zu kognitiv wirkenden Eigenschaften von Medien geschaffen ist.